Für eine private Seniorenbetreuerin wie mich gehört die Kommunikation fest zum Alltag, wie das Amen in der Kirche. Und sie ist ein Handwerk, das gelernt und geübt sein will. Denn es ist nicht egal, wie wir mit Menschen umgehen und sprechen. Je nach Situation sind Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen gefragt. Und der richtige Ton, gerade gegenüber älteren Menschen. Im Betreuungsalltag kann es manchmal zu stressigen Situationen kommen. Da ist die angemessene Kommunikation besonders wichtig. Ich erwähne das besonders, weil ich persönlich finde, dass in letzter Zeit, insbesondere seit der Corona-Krise, die Kommunikation schwieriger geworden ist. Viele Menschen, gerade auch Seniorinnen und Senioren, reagieren heute dünnhäutiger. Sie hegen Ängste, alte wie neue. Das fordert ich in meiner Arbeit: Ich will ja für Wohlbefinden sorgen und nicht für negativen Gefühle. Also frage ich mich immer öfter: Kann man angstmachende Kommunikation in der Betreuung verhindern? Und wenn ja, wie?
Wichtig ist: Wer sich nicht die Zeit nimmt und die Ruhe mitbringt, um liebevoll zu kommunizieren, kann schnell unangenehme Situationen und Konflikte provozieren. Das Prinzip der gewaltfreien Kommunikation, wie ich es täglich lebe, kann die Zusammenarbeit im Betreuungsalltag erleichtern. Ich gehe im Folgenden noch etwas weiter darauf ein. Sollten Sie aber persönlich als Seniorin oder Senior von angstmachender Kommunikation betroffen sein oder jemanden kennen, dem diese widerfährt, empfehle ich Ihnen, an die UBA zu gelangen. Diese politisch und konfessionell unabhängige Beschwerdestelle für das Alter setzt sich als gemeinnütziger Verein gegen Häusliche Gewalt und Misshandlung und für ein gewaltfreies Leben im Alter ein. Doch nun zur Kommunikation, die Angst macht …
Der Begriff «angstmachende Kommunikation» – was bedeutet er eigentlich?
«Angstmachende Kommunikation», das klingt für viele zunächst schrecklich: Nur weil nicht optimal kommuniziert wird, ist das doch nicht sofort ein Grund für Angst! Doch es ist halt im Alltag ft so, dass zwischen Stress, Druck und zu wenig Zeit die Bedürfnisse des Einzelnen schnell untergehen. Sich aufstauende Unzufriedenheit und Frustration können dazu führen, dass schwierige Situationen ungewollt eskalieren. Dabei kann es auf verschiedene Weise zu Kommunikation kommen, die eben doch Angst auslöst oder sogar verstärkt. Wohlgemerkt: Nicht alle Seniorinnen und Senioren reagieren gleich, aber viele sind eben doch ängstlicher als in jungen Jahren. Dabei reagieren diejenigen, welche verängstigt sind, sehr unterschiedlich: Manche üben Kritik an der Art, wie sie sich behandelt fühlen, nicht mehr direkt, sondern über Angehörige. Bei anderen wirkt sich die Angst machende Kommunikation auch auf Körper und Psyche aus – sie wollen zum Beispiel nicht mehr essen oder denken gar daran, sich das Leben zu nehmen.
Wie kann man effektiv Angst vermeiden und mit ängstlichen Senioren kommunizieren?
Tipp A: Aktives Zuhören praktizieren
Aktiv zuhören bedeutet, auf das zu achten, was der ältere Mensch sagt. Man sollte seine Wünsche und Sorgen zu verstehen versuchen, zuerst einmal Empathie zeigen und nicht vorschnell mit Antworten oder Lösungen kommen. Aktives Zuhören ist nicht schwer – es genügt, ab und zu zu nicken, den Augenkontakt nicht zu vergessen, einfach einmal nur die Hände zu berühren. Auch sollte man die Seniorin oder den Senior nicht unterbrechen, sollte Ablenkungen vermeiden, offene Fragen stellen und am Schluss vielleicht kurz das Gespräch zusammenfassen.
Tipp B: Ruhe einbringen und unterstützende Techniken anwenden
Beruhigende und unterstützende Techniken tragen dazu bei, dass die Kommunikation gar nicht erst aufkommt. Man sucht sich also zuerst einmal eine ruhige Umgebung (z.B. das eigene Zimmer oder die freie Natur). Dann beginnt man die Unterhaltung in ruhiger (und keinesfalls lauter) Tonlage, spricht bedächtig und nicht schnell. Natürlich soll die Unterhaltung nicht zu Unzeiten stattfinden – nicht zu früh morgens, auch wenn die ältere Person eine Frühaufsteherin ist, und noch weniger spätabends. Merke: Niemand will unausgeschlafen Konversation machen. Und Achtung: Über allem stehen die Würde und die Autonomie der älteren Person, sie sind unantastbar!
Tipp C: Klar und unmissverständlich informieren
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass meine Kundinnen und Kunden klare und unmissverständliche Information schätzen. Sie möchten über die wichtigen Dinge auf dem Laufenden sein, was ihnen auch dabei hilft, ihre eigenen, bereits bestehenden Ängste oder Unsicherheiten abzubauen. Man sollte beim Informieren aber eine einfache und verständliche Wortwahl verwenden. Fachjargon und Fremdwörter (wie z.B. in der Medizin) gilt es wenn möglich zu vermeiden. Diese mögen einige Zuhörerinnen und Zuhörer beeindrucken, die meisten aber werden dadurch nur verwirrt, weil sie das «Fachchinesisch» nicht verstehen. Ohnehin ist es ratsam, beim Gespräch hin und wieder eine Rückfrage zu stellen: Wurde auch wirklich verstanden, was da soeben gesagt wurde?
Tipp D: Gute Familienkonstellationen nutzen
In meiner täglichen Arbeit als private Seniorenbetreuerin spüre ich, ob eine intakte Familienkonstellation vorhanden ist oder nicht. Ist das Familiengefüge einheitlich, kommuniziert es sich viel einfacher, weil man einander kennt und vetraut und weil man weiss, wie jede und jeder reagiert; dadurch kommt die Angst meist gar nicht erst ins Spiel, und die Gefahr von Missverständnissen und somit Unsicherheiten ist gering. Ganz im Gegenteil: Wenn Familien und betreuende Personen am gleichen Strick ziehen, kann dies für die älteren Menschen eine Kraftquelle und ein Trost sein. Irgendwelche möglichen Ängste werden so quasi «im Vorbeigehen» abgebaut.
Tipp E: Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen
Sollte mit allen involvierten Personen, ob älter oder jünger, keine angstfreie Kommunikation mehr möglich sein, kann professionelle Hilfe von aussen helfen (vom Hausarzt des Vertrauens, einer Psychologin, einem Psychiater usw.). Diese Personen können eine spezialisierte Beurteilung und Unterstützung für alle involvierten Personen bieten.