Senior mit Angstzuständen im Zug

In meiner Arbeit als private Seniorenbetreuerin passiert es immer mal wieder, oftmals auch unangemeldet: Bei einer Klientin oder einem Klienten kommt es zu einer Angststörung. Das heisst, sie oder er erlebt und erleidet Ängste wegen Situationen oder Dingen, die eigentlich gar keine Gefahren darstellen. Wir wählen zum Beispiel einen neuen Weg für einen Spaziergang – unwichtig, ob der Weg hinunter oder hinauf führt. Allein die Tatsache, dass sich meine Seniorin oder mein Senior sich nicht mehr auf die bewährte, eingeübte Route einstellen kann, löst bei ihr oder ihm Ängste aus.

Bei Angststörungen unterscheidet man allgemein zwischen solchen mit konkretem Auslöser (sogenannten Phobien) und solchen ohne (man nennt sie auch Panikstörung oder generalisierte Angststörung). Aber egal, um welche Art von Angstzustand es sich handelt: Die Angehörigen ebenso wie die Pflege- und Betreuungskräfte sind gefordert. Einerseits sollten sie Empathie und Verständnis zeigen, andererseits sollten sie die betroffenen Seniorinnen und Senioren ermutigen, sich ihren Ängsten zu stellen. Hierzu habe ich nachstehend ein paar Tipps zusammengestellt, was in einem ersten Schritt helfen kann. Die Aufzählung ist natürlich nicht abschliessend.

Als Betreuerin ruhig und empathisch bleiben

Wie oben bereits erwähnt, erlebe ich es in meiner Tätigkeit öfters, dass solche Ängste ganz plötzlich auftreten, sei es bei einem Spaziergang, während eines Ausflugs oder beim gemeinsamen Einkaufen. Auslöser sind dabei neben den neuen Routen auch Faktoren wie «zu viele Menschen», eine ungewohnte Umgebung oder ganz allgemein Lautstärke oder Lärm. In solchen Situationen ist es jeweils ganz wichtig, dass man als Angehörige(r) bzw. Pflege- oder Betreuungskraft ruhig und empathisch bleibt. Auf keinen Fall darf man die ältere Person alleine lassen, sondern sollte immer an ihrer Seite bleiben. Je nach Situation beruhigt man die Seniorin oder den Senior an Ort und Stelle, verlässt zusammen die Umgebung, welche den Angstzustand ausgelöst hat, und geht wieder nach Hause. Und wenn sich die Person wieder beruhigt hat, sollte man auch versuchen, die Gründe für den Angstzustand zu eruieren, damit sich diese Situation nicht mehr wiederholen kann.

Ganz wichtig: Wer einen an Angststörungen leidenden Menschen betreut, sollte nicht noch sagen: «Das ist doch nicht gefährlich», oder: «Das letzte Mal hatten Sie aber keine Probleme damit.» Mit Unverständnis ist nämlich gar niemandem geholfen. Zu beachten gilt auch, dass eine Angststörung genauso eine psychische Erkrankung wie Demenz oder Altersdepression sein kann. Ängste lassen sich nicht einfach spontan abschalten.

Die Betroffenen ermutigen, der Angst entgegenzutreten

Auf der anderen Seite sollen ältere Menschen dennoch dazu ermutigt werden, sich ihren Ängsten zu stellen. Das ist wichtig, denn vor diesen Situationen können sie letztlich nicht davonlaufen. Konkret heisst dies (z.B. in Bezug auf den Spaziergang oder Ausflug): Nehmen sie den neuen, ungewohnten Weg wieder einmal in Angriff. Je häufiger eine angsterfüllte Person sich dieser «gefürchteten» Aufgabe stellt, desto besser wird sie die Angst davor mit der Zeit abbauen. Für Angehörige ebenso wie Pflege- und Betreuungskräfte ist es dabei sinnvoll, diese Personen zu begleiten, um sie bei der Selbstüberwindung ihrer Ängste zu unterstützen. Aus meiner eigenen Erfahrung als Seniorenbetreuerin kann ich sagen: Das klappt eigentlich sehr gut. Meine Klientinnen und Klienten reagieren meistens sehr positiv darauf und wagen mit der Zeit sogar wieder eigenständige Versuche. Diese Erfolge werden dann liebevoll gewürdigt.

Professionelle Hilfe (Fachkräfte) in Anspruch nehmen

Bei vielen älteren Menschen sind Gedanken- und Gefühlswelt von vielen Ängsten und Sorgen geprägt: «Ich funktioniere nicht mehr», «Geist und Körper sind alt», «Hoffentlich werde ich nicht ganz bettlägerig», «Was kommt mit dem Sterben?», «Kann ich mir das Altersheim noch leisten?», usw. Oftmals werden dabei verschiedenste «Horrorszenarien» im Kopf durchgespielt. Und nicht selten kommt es deswegen auch zu körperlichen Beschwerden wie Bauch- und Kopfweh. Treten diese Beschwerden auf, so wird ein Besuch beim (Haus-)Arzt fast unumgänglich. Eine Angststörung kann nämlich zum Beispiel auch auf das Herz oder die Lunge Auswirkungen haben. In einem zweiten Schritt muss evtl. sogar ein Psychotherapeut oder gar ein Psychiater beigezogen werden. Auch kann eine medikamentöse Therapie nötig werden. Kann, wohlgemerkt. Denn Angstzustände, gerade bei älteren Menschen, lassen sich bewältigen. Vorausgesetzt, man nimmt sie ernst und geht sie frühzeitig an. Nur keine Angst davor!