Ältere Frau, die wegen dem Coronavirus, an Depressionen leidet

Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht, ob ich mich zum Thema «1 Jahr Coronavirus» weiterhin äussern soll, darf oder kann. Viele ältere Menschen wie auch Freundinnen und Freunde sind dankbar dafür, dass ich eine klare Meinung dazu habe. Hier nun also mein ungeschöntes Resümee.

1 Jahr Coronavirus: Das ist für mich und für einige meiner Seniorinnen und Senioren ein emotionales, psychisches und wirtschaftliches Desaster. Und dies ist nicht eine Neubeurteilung: In meinem ersten Blog vom 6. August 2020 habe ich mich schon kritisch über Massnahmen geäussert.

Ein Seniorenleben weiterhin in fast völliger Isolation, auch wegen der Schliessung der Gastrobetriebe

Für mich in meiner täglichen Arbeit als private Seniorenbetreuerin ist diese Gesundheitskrise eine enorme Herausforderung. Viele ältere Menschen sind durch das Coronavirus sowie die neuen Massnahmen noch weiter isoliert worden. Durch die erneute Schliessung von Gastrobetrieben wurden sie noch mehr «eingesperrt». Es fehlen die menschlichen Kontakte, der Austausch mit ihren Freunden oder Restaurantmitarbeitenden sowie ein «Kaffeekränzli» mit einem Jass.

Nicht alle Seniorinnen und Senioren sind noch in der Lage, sich jeweils ein Mittagessen zuzubereiten. Viele gehen gerne ins Restaurant oder ins Café, um sich gesund zu ernähren. Natürlich kann mit privaten Anbietern wie Mahlzeitendienst oder Pro Senectute Abhilfe geschaffen werden. Das ist aber lange nicht dasselbe, weil der menschliche Kontakt fehlt. Eine weitere Lösung ist eine Betreuerin, die zu einem nach Hause kommt und ein Essen zubereitet. Allerdings können und wollen sich viele ältere Menschen diesen Dienst nicht leisten.

Die Menschen sind Corona-müde durch die unsägliche Berichterstattung der Medien

Viele meiner Seniorinnen und Senioren (und mit ihnen fast die ganze Welt) sind das Thema Corona leid – auch wegen der unsäglichen Berichterstattung der Medien. Jeden Tag neue Zahlen von Ansteckungen und Toten. Dazu Expertenmeinungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und Massnahmen, die zum Teil nicht nachvollziehbar sind und auch bisher nicht gefruchtet haben. Ich empfehle meinen Seniorinnen und Senioren, möglichst wenig von dieser Berichterstattung zu lesen. So halte ich es übrigens auch. Denn sie, wie ich, schauen im Fernsehen anstatt der Tagesschau mit all den negativen Schlagzeilen lieber einen Tierfilm oder eine lustige Komödie, an der sie sich erfreuen können. Auch versuche ich die älteren Menschen zu motivieren, ein Buch zu lesen, oder bei meinen Besuchen oder Telefonaten das Gespräch in eine ganz andere Richtung zu lenken. Wobei das mir und meinen Seniorinnen und Senioren oftmals gar nicht so leicht fällt.

Hat der Tod wieder ein Gesicht bekommen – oder doch nicht?

Diese Frage beschäftigt mich seit längerem, und in meinem Beruf als private Seniorenbetreuerin sowieso. In Gesprächen mit der älteren Generation erhalte ich natürlich eine andere Antwort als z.B. von Menschen in meinem Alter. Viele meiner Seniorinnen und Senioren sind sich sehr bewusst, dass das Sterben jederzeit eintreten kann. Für sie hat der Tod ein Gesicht, und sie möchten einfach noch wertvolle Momente im letzten Lebensabschnitt erleben. Für die «jüngere» Generation ist das Sterben meistens noch weit weg. Doch in dieser Gesundheitskrise kann so ein Schicksalsschlag auch sie treffen. Dennoch kann ich die Frage nicht abschliessend beantworten. Durch Massnahmen wie das Besuchsverbot im Spital oder Altersheim (um Abschied zu nehmen von einem sterbenden Menschen) oder Beerdigungen im kleinen Rahmen wird der Tod oft einsam. Oder, anders gesagt: Ohne die Anwesenheit von Mitmenschen verliert der Tod sein Gesicht und den Raum, um die Trauer und Zeit zuzulassen.

Wie geht es nach dieser Gesundheitskrise weiter?

Diese Frage kann wohl niemand beantworten, geschweige denn eine Antwort in ein paar Sätzen zusammenfassen. Uns bleibt das emotionale, psychische und wirtschaftliche Desaster noch eine Weile erhalten. Ich persönlich bezweifle, dass die kürzlich begonnenen Impfungen das Leid so schnell beenden werden. Zudem hoffe ich, dass man ältere Menschen betreffend Nebenwirkungen gut aufklärt und auch keinen Druck auf sie ausübt. Das gilt ebenso für das gesamte Pflege- und Betreuungspersonal.

Ich würde es ausserdem sehr begrüssen, wenn man dafür zukünftig mehr über die Eigenverantwortung (Ernährung, Sport, Schlaf und eine generell gesunde Lebensgestaltung) sprechen würde.