Nachdenklicher und einsamer Senior

Ob jung oder alt – wir alle brauchen soziale Kontakte wie die Luft zum Atmen. Wenn diese Kontakte altersbedingt immer seltener werden, entsteht oft das Gefühl: «Ich bin zu alt und gehöre nicht mehr dazu.» Ältere Menschen fühlen sich von der Aussenwelt ausgeschlossen und nicht verstanden.

Diese Denkmuster erlebe ich auch oft bei meiner täglichen Arbeit als private Seniorenbetreuerin.

Lesen Sie hier das Interview zum Thema «Einsamkeit im Alter» mit meiner Kundin Rosa Eggenschwiler.

Gemäss Bundesamt für Statistik fühlen Sie sich 35 Prozent der Menschen in der Schweiz (ab 65 Jahren) einsam. Können Sie das so bestätigen?

«Der Mensch ist einsam», das können wir schon bei Hermann Hesse in seinem wunderschönen Gedicht erfahren.

Verstehe ich Sie richtig, dass dieses Problem nicht nur ältere Menschen betrifft, oder wie meinen Sie das?

Nicht nur alte Leute sind einsam, auch junge Menschen, sogar Kinder, oder etwa junge Frauen, wenn die Kinder abends im Bett sind und der Ehemann auf Geschäftsreise oder mit Freunden unterwegs oder beim Sport.

Gibt es Unterschiede zur Einsamkeit? Reagieren ältere Menschen anders auf Einsamkeit als die jüngere Generation?

Bei alten Menschen gibt es einen Unterschied: Es fehlt die Hoffnung, dass die Einsamkeit vorbeigeht. Lebenspartner, Freunde und Weggefährten werden krank oder sterben, man hat immer weniger Bezugspersonen.

Was tun Sie gegen Einsamkeit in diesem Moment?

Der Einsamkeit kann man begegnen, indem man verbliebene Freundschaften sorgfältig pflegt und vielleicht auch bereit ist, neue Freundschaften zu schliessen, indem man sich den Menschen zuwendet, offen ist für Begegnungen. Man sollte oft mit lieben, angenehmen Menschen zusammen sein. Aber es braucht Energie, um sich aufzuraffen, man muss aus dem Haus gehen, sich anstrengen, etwas zu tun. Das braucht viel mehr Kraft, wenn man älter wird.

Wie Sie erzählt haben, hilft Ihnen gegen die Einsamkeit das Theater Spielen und Unterrichten. Was halten Sie zum Beispiel von Kursen (wie Computer- oder Sprachkurse)?

Für Senioren gibt es zahlreiche Angebote, um sich lebenslange, vielleicht geheime oder verdrängte Träume erfüllen zu können – etwas, «was man immer schon mal machen wollte». Es gibt Kurse, Vorträge, Lesezirkel, Ausflüge, Wanderungen. In Freizeit- und Alterszentren wird vieles angeboten: Singen, Yoga, Gedächtnistraining, Jassen, Gymnastik, Tanzen, Theaterspielen und so weiter.

Diese Angebote tönen doch sehr gut. Werden sie aus Ihrer Sicht auch genutzt?

Man muss sich schon sehr anstrengen, diese Angebote auch wahrzunehmen, man ist müde oder sogar kränklich, die Muskeln schmerzen, die Gelenke knacken, manchmal möchte man einfach nur seine Ruhe haben oder schlafen. Wenn man diesen Bedürfnissen nachgibt und nichts mehr unternehmen will, wird man immer müder und schwächer. Es entsteht ein Teufelskreis.

Viele ältere Menschen sind geistig und körperlich noch sehr fit. Ein Alterszentrum ist für sie keine Alternative. Wie beurteilen Sie Senioren-Wohngemeinschaften, und können Sie sich das vorstellen?

Es ist sehr wichtig, sich beizeiten zu überlegen, welche Wohnformen man im Alter vorziehen will. Da geht es ja vor allem um Menschen, die keinen Partner (mehr) haben und allein leben. Vielleicht sind sie gern allein, das ist auch kein Problem, wenn sie Freunde haben, mit denen sie einen guten Kontakt pflegen. Früh genug sollte man sich überlegen, wie und wo man leben will, da gibt es auch gute Beratungsstellen. Mit Wohngemeinschaften habe ich keine Erfahrung, in meiner Jugend war das nicht so üblich. Ich glaube, es braucht viel Bereitschaft, sich anzupassen, und man muss einander auch mögen.

Ehrenamtliche Tätigkeiten werden immer wichtiger. Das machen Sie mit Ihrer Theatergruppe ja jede Woche. Was sind Ihre Erfahrungen? Und helfen diese ehrenamtlichen Tätigkeiten gegen Einsamkeit?

Menschen haben den Wunsch, gebraucht zu werden. Wenn man pensioniert ist, hat man mehr Zeit für andere Tätigkeiten. Das kann man sich schon lange vorher überlegen. Grosseltern haben Enkel, Alleinstehende engagieren sich für ältere Menschen und Nachbarn, die Hilfe brauchen. Sie gehen spazieren mit Behinderten, sie geben ihr Wissen weiter, z.B. wenn sie Sprachen lieben usw.

Man sagt, dass Haustiere (z.B. Hunde oder Katzen) oft die besseren Freunde sind. Kann man mit Haustieren die aufkommende Einsamkeit kompensieren?

Es kann sehr schön sein, mit einem Tier zu leben. Es tut gut, eine Katze zu streicheln, mit einem Hund spazieren zu gehen, einen Vogel zu füttern. Ich glaube jedoch nicht, dass man Tiere brauchen sollte, um damit Freunde zu ersetzen, aber die meisten Menschen geniessen es, für ein anderes Wesen zu sorgen.

Liebe Frau Eggenschwiler: vielen lieben Dank für das interessante Interview und die vielen guten Tipps.

Weitere Infos zu diesem Thema finden Sie unter https://www.christines-seniorenbetreuung.ch/kontaktarmut-im-alter/