Tochter hält Mutter im Arm

Die Eltern-Kind-Beziehung ist die wohl sozialste und emotionalste Beziehung zwischen einem Elternteil und dem Kind. Diese Beziehung ist allerdings für viele kinderlose Menschen nicht immer nachvollziehbar. Was wenig erstaunt, denn die Eltern-Kind-Beziehung entwickelt sich ja auch über sehr lange Zeit. Eltern sind während Jahrzehnten für ihre Kinder da und begleiten sie von klein auf bis zur Selbstständigkeit.

Ebenso wenig verwundert es aber auch, dass die Eltern-Kind-Beziehung, ebenso wie der Mensch, in die Jahre kommen kann. Aber wie verändert sich diese Beziehung im Seniorenalter konkret? Und welche Tipps gibt es für ein schönes Familienleben auch im späteren Lebensabschnitt?

Wie hat sich die Gesellschaft entwickelt?

In den USA durchgeführte Langzeitstudien weisen nach, wie sich Eltern-Kind-Beziehungen im 20. Jahrhundert im Zuge gesellschaftlicher Entwicklungen verändert haben. So hat der Liberalisierungsschub der 1960er Jahre die Eltern-Kind-Beziehungen bis über das 30. Lebensjahr des Kindes hinaus deutlich verbessert. John Clausen, einer der Autoren einer Langzeitstudie, erklärt es so: Die Eltern sind heute mehr als früher bereit, die Entwicklung ihrer Kinder zu unterstützen. Insbesondere zwischen dem 10. und 16. Altersjahr nehmen sie deren Bedürfnisse und Lebensvorstellungen ernst. Und das wirkt sich langfristig positiv auf die Stabilität und Dauerhaftigkeit der Beziehungen zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern aus.

Eine amerikanische «Health and Retirement Study» über die Jahre 1998 bis 2008 hat dabei ergeben, dass Töchter ihre Mütter dreimal so häufig pflegen, wie ihre Brüder dies tun. Bei Vätern hingegen engagieren sich Töchter und Söhne ungefähr gleich stark in der Pflege. Das Alter, in dem Eltern zum ersten Mal auf Pflege durch ihre Kinder angewiesen sind, liegt in den USA im Durchschnitt bei 77 Jahren; ihre Kinder sind zu diesem Zeitpunkt durchschnittlich 49 Jahre alt. (Quelle: Wikipedia).

Wenn Eltern Kinder werden – aber doch immer unsere Eltern bleiben

In meiner täglichen Arbeit als private Seniorenbetreuerin erlebe ich oft, dass Eltern, da sie geistig und körperlich stark abgebaut haben, wieder «Kinder werden» und auf Unterstützung durch die eigenen Kinder oder Angehörigen angewiesen sind. Diese Erfahrung mache ich übrigens ebenso ganz persönlich mit meinen eigenen Eltern. Ich glaube jedoch, dass dieser Prozess zwar für beide Seiten anspruchsvoll, aber auch sehr wertvoll sein kann. Ich versuche daher, für mich und meine Eltern sowie für meine Klientel diese Betrachtungsweisen in mein Handeln mit einzubeziehen. Für eine gute Eltern-Kind-Beziehung auch im Alter habe ich nachstehend eine Reihe mit Gedanken und Ratschlägen zusammengestellt:

  1. Vergessen wir nie, was unsere Eltern für uns getan haben. Seien wir dankbar für ihre Liebe und Zuneigung – und für die Opfer, die sie für uns erbracht haben.
  2. Versuchen wir nicht, unsere Eltern zu verändern. Gehen wir ganz auf ihre Bedürfnisse ein.
  3. Je nach ihrer geistigen und körperlichen Verfassung sollten wir unsere Eltern ganz normal in den Alltag mit einbeziehen.
  4. Eltern im Seniorenalter sollen einfach das tun dürfen, was ihnen Freude und Spass macht.
  5. Eltern sollten die Unterstützung erhalten, die sie haben möchten. Das heisst: Ihnen nichts aufdrängen, von dem wir als Kinder meinen, dass es wichtig sei.
  6. Wir sollten unseren Eltern Danke sagen und ihnen Liebe und Zeit schenken – natürlich sofern das möglich ist. Kinder übernehmen oftmals die Elternrolle. Seien wir darauf bedacht, dass wir diese Rolle/Beziehung mit viel Liebe, Geduld und Respekt wahrnehmen.
  7. Geschwister sollten eine Einheit gegenüber den Eltern bilden. Ältere Menschen/Eltern leiden darunter, wenn sich ihre Kinder untereinander nicht verstehen.
  8. Gegenseitiger Austausch unter Geschwistern hilft bei der Unterstützung und Betreuung von Eltern.
  9. Vergessen wir nie den Humor und das Lachen. Beides lieben ältere Menschen, weil es Leichtigkeit in ihren Alltag bringt.
  10. Legen wir möglichst alles Negative auf die Seite. Also: Gespräche ins Positive leiten, erfreuliche Geschichten erzählen oder miteinander etwas Schönes unternehmen.
  11. Und nicht zuletzt ganz wichtig: Vermeiden wir jeglichen Stress für unsere Eltern!

Selbstverständlich gelten diese Hinweise und Betrachtungsweisen nicht für alle – es sind meine ganz persönlichen. Doch ich bin überzeugt, dass damit eine Eltern-Kind-Beziehung bis ins hohe Alter mit viel Freude, Respekt und Liebe möglich ist.