Betreuerin macht Wäsche für Seniorin

Hilfe von anderen anzunehmen, das fällt älteren Menschen oftmals sehr schwer – in meinem Beruf als private Seniorenbetreuerin erlebe ich es tagtäglich. Denn zu lernen, mit psychischen und körperlichen Einschränkungen zu leben, das gehört im Alter eben leider oft dazu. Besonders schwer fällt es vielen Seniorinnen und Senioren, wenn sie sich auf ihre Augen und Beine nicht mehr verlassen können. Und Hilfe annehmen zu müssen, weil sie schlecht sehen oder gehen können, das will geübt sein. Gerade unsere «Kriegszeit-Generation» hat hart gearbeitet, jeden Rappen gespart und vielfach alles alleine oder innerhalb der Familie erschaffen. Dass diese Menschen nun nicht mehr alles machen können wie gewohnt und erlernt, ist eine unglaubliche Herausforderung für sie. Und die meisten sind nicht darauf vorbereitet. Oftmals höre ich dann Aussagen wie diese: «Morgens kann ich die Zeitung nicht mehr lesen – das ist ganz schlimm für mich.» Oder: «Ich getraue mich nirgends mehr hin, weil ich Angst vor Unfällen habe.» Oder: «Ich will niemandem zur Last fallen, die Leute haben ja alle keine Zeit.» Doch es muss nicht immer alles so schwer sein. Ein paar Hilfestellungen, die ich hier aus meinem eigenen Erfahrungsschatz beisteuere, können Senioren die Angst vor Unterstützung durch Drittpersonen nehmen.

Tipp 1: Senioren in der Umbruchsituation die Angst nehmen

Oftmals ist es für Senioren schwierig, sich einzugestehen, dass sie z.B. ihren eigenen Haushalt nicht mehr im Griff haben. Auch sind sie nicht mehr so mobil wie früher und verfügen vielfach auch über gar keinen Führerausweis fürs Auto (mehr). Dann kommen auch noch finanzielle Belastungen hinzu – für Fahrten zur Arztpraxis oder ins Einkaufszentrum, weil sie eventuell einen Fahrdienst benötigen.

In einer solchen Umbruchsituation können grosse Ängste entstehen, was aber ganz normal ist. Senioren können sich orientieren und tägliche Abläufe neu organisieren, wenn man ihnen dabei liebevolle Unterstützung bietet. So lernen sie, sich in ihren neuen Lebensumständen zurechtzufinden und neue Kompetenzen zu erwerben. Und es kann ihnen gelingen, ihren Lebensmut und ihre Kraft zu bewahren oder zurückzugewinnen. Hilfreich ist der Austausch mit den Menschen im eigenen Umfeld oder mit professionellen Betreuungsanbietern. Ganz wichtig ist dabei vor allem anderen, dass Senioren über die eigenen Probleme, Sorgen und Ängste mit jemandem sprechen können.

Tipp 2: Senioren unbedingt in den eigenen Alltag mit einbeziehen

Solange es geht, sollten ältere Menschen in ihrem eigenen Heim bleiben können. Es muss für sie möglich sein, in ihrer gewohnten Umgebung weiterzuleben. Das ist für Körper und Geist essentiell. Nimmt man ihnen hingegen ihre Verrichtungen zu Hause komplett ab, erreicht man das pure Gegenteil. Senioren sind dann nur noch mehr verunsichert und blocken total ab. Eine erste Unterstützung bespricht man am besten zuerst in aller Ruhe mit ihnen bzw. mit ihren Angehörigen. Vielleicht ist der erste Schritt dann einfach einmal ein Einkauf, den die Seniorin oder der Senior noch selbst erledigt, aber wenn möglich in Begleitung der betreuenden Person. Auf jeden Fall sollte man ältere Menschen unbedingt in den eigenen Alltag mit einbeziehen. So kann eine Vertrauensbasis entstehen, dank der sich ältere Menschen sicher und gut aufgehoben füllen. Mit der Zeit kann das Hilfestellungs-Angebot dann weiter ausgebaut werden.

Tipp 3: Senioren den Nutzen und die Chancen von Hilfestellungen aufzeigen

Senioren soll man das Annehmen von Hilfe nicht als Defizit vermitteln, sondern als Bereicherung Ihres Lebens: Hilfe zu geben (wie früher den eigenen Kindern) und Hilfe anzunehmen schaffen eine tiefe Verbindung zwischen zwei «neuen» Menschen. Ich versuche auch meiner lieben Klientel zu vermitteln, dass sie diese Hilfe von überall annehmen darf. Gerade die Generation meiner Eltern hat immer auch ihrerseits ihren eigenen Eltern geholfen. Das macht es heute leichter für sie zu verstehen, dass sie nun selber in dieser Situation sind. Mit der Zeit entdecken ältere Menschen aber auch die Chancen, die sich daraus ergeben, dass nun andere Leute Aufgaben für sie übernehmen: Wird der Haushalt (der Einkauf oder die Wäsche) nun von jemand anderem erledigt, steht plötzlich mehr Zeit für Hobbys zur Verfügung – zum Sticken eines Gobelins, für die eigenen Lieblingsbücher, für einen Kurzausflug zu Bekannten, für viele andere Sachen.

Tipp 4: Senioren vermitteln, dass Hilfe anzunehmen eine Stärke ist

Viele Angehörige haben gar kein Problem damit, ihren Liebsten oder sogar völlig Fremden zu helfen. Ganz im Gegenteil: Hilfe zu leisten gilt für ganz viele Menschen als Zeichen von Respekt und Wertschätzung ihren Eltern oder generell der älteren Generation gegenüber. Seniorinnen und Senioren fassen Unterstützung oftmals als Hilflosigkeit, als Unselbstständigkeit und als Verlust der Kontrolle über ihr Leben auf. Dabei übersehen sie, dass es kaum eine Person auf der Welt gibt, die nicht irgendwann einmal auf Hilfe angewiesen ist. Sich dies selbst einzugestehen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Selbstreflexion. Seniorinnen und Senioren müssen und werden erkennen, dass man in ihrem Alter einfach nicht (mehr) alles tun kann. Dies ist nichts anderes als ein Anerkennen der Realität. Wer dies kann und tut, zeigt wahre Stärke – egal, in welchem Alter.