Älteres Ehepaar beim Reden und Spazieren

Jeder Statistiker wird es bestätigen: Wir alle altern nicht einfach nur und werden betagter – wir werden wirklich immer älter, und dies bei stetig sich verbessernder Gesundheit. Sicher hat das etwas mit der modernen Medizin zu tun. Aber auch die Einstellung jedes einzelnen Menschen hat auf das erreichbare Alter und die Gesundheit einen entscheidenden Einfluss. Nichtsdestotrotz: «Älter werden ist nichts für Feiglinge» – diesen Satz höre ich in meiner täglichen Arbeit als private Seniorenbetreuerin öfters mal. Auch Schauspieler wie Joachim Fuchsberger haben darüber schon ein Buch geschrieben. Das Älterwerden lässt sich demnach als Chance wie auch als Herausforderung sehen. Und deshalb hier nun ein paar Tipps, wie sich das unvermeidliche Älterwerden (für alle Beteiligten) zumindest etwas angenehmer machen lässt. Meine Ausführungen sind selbstverständlich nicht abschliessend.

Menschen werden schwieriger, das Leben aber auch

Ich versuche mich jeden Tag als private Seniorenbetreuerin in die Lage einer älteren Person zu versetzen. Das gelingt ehrlich gesagt manchmal besser und manchmal schlechter. Hin und wieder höre ich von meinen Klientinnen und Klienten, dass sie die ganze Nacht nicht richtig geschlafen haben. Es haben sie so viele Sachen beschäftigt. Am Morgen fällt ihnen bereits das Aufstehen schwer, weil die Hüfte oder der Kopf schmerzt. Beim Frühstück möchten sie gerne die Zeitung lesen, aber die Schrift ist zu klein. Oder in einer Gemeinschaft wie dem Altersheim reden ihnen einige Mitbewohnende zu laut oder essen nicht mehr schön. Am Nachmittag dann möchte die Seniorin oder der Senior einen Ausflug machen. Aber den Führerausweis hat sie oder er abgeben müssen. Ein Taxi ist bei der kleinen Pension zu teuer. Und schliesslich ist im Moment auch noch keine betreuende Person in Reichweite, um dieses spontane Reisli zu ermöglichen. Diese Person kommt zwar abends eventuell noch vorbei. Doch sie schimpft dann vielleicht, weil die betreute ältere Person nicht an ihre Medikamente gedacht hat …

Mit meinen eigenen 59 Jahren und als Betreuerin überlege ich mich sehr oft, wie ich in diesem Falle als alter Mensch reagieren würde. Aber im Grunde genommen ist das zum heutigen Zeitpunkt fast nicht möglich. Ja, alte Menschen können manchmal schwierig werden, doch es können dafür durchaus ernstzunehmende Gründe vorliegen:

  • Krankheiten wie Demenz oder Altersdepression
  • Das Bewusstsein, nicht mehr selber über das eigene Leben bestimmen zu können
  • Mangelnde Sozialkontakte aufgrund reduzierter Mobilität
  • Streit in der Familie und Umgebung
  • Verlust eines Ehepartners, mit dem man sehr lange verheiratet war
  • Sorgen um die finanzielle Situation oder die geringe Pension
  • Unverständnis und Bevormundung vonseiten betreuender Personen
  • Ungeeignete und somit belastende Wohnsituation (kein Lift, laute (oder im Gegenteil zu abgeschiedene) Wohngegend)

Älterwerden ist mit meist tiefgreifenden Veränderungen im eigenen Leben verbunden. Dazu gehört der Verlust wichtiger sozialer Kontakte durch den Tod oder das Fehlen von Angehörigen in der nahen Umgebung. Dann vermindert sich die Mobilität, wenn die körperlichen und geistigen Kräfte nachlassen. Mit den neuen Gegebenheiten zurechtzukommen erfordert Demut, Anpassung und Akzeptanz. Im höheren Alter werden manche Personen aber gerade eher unangepasster, starrer in ihren Denk- und Verhaltensmustern. Man könnte auch argumentieren, dass die in jüngeren Jahren oftmals unterdrückten Eigenschaften nun klarer zum Vorschein kommen. Die Folge können Aggression, Unzufriedenheit und Rückzug sein – vielfach werden diese Symptome aber auch durch die einsetzende und zunehmende Demenz ausgelöst.

Lernen wir deshalb (wieder), friedlicher miteinander umzugehen

Für mich als private Seniorenbetreuerin gilt als wichtigste Regel: Ich versuche mich immer den älteren Menschen anzupassen, und zwar ohne dabei mich selbst vollends aufgeben zu müssen. Wenn alte Menschen schwieriger werden, müssen Angehörige und betreuende Personen sich nicht klaglos damit abfinden. Sie dürfen sich durchaus aktiv dafür einsetzen, dass wieder ein friedliches Miteinander und ein zivilisierter Umgang zwischen beiden Seiten entsteht. Eine entscheidende Rolle spielt dabei eine achtsame und bewusste Art und Weise zu kommunizieren. Durch die Entlastung von Angehörigen bei externer Pflege und Betreuung etwa öffnet sich neuer Raum für Gespräche und Empathie. Das hat zum Beispiel in meiner eigenen Familie bestens funktioniert: Ich darf nun wieder einfach Tochter sein – also nicht nur eine betreuende Person. Man sollte überhaupt frühzeitig gerade mit der Planung und Regelung wichtiger Angelegenheiten (wie dem Verfassen von Patientenverfügung, Testament oder Vorsorgeauftrag) beginnen. Die richtige Kommunikation kann Konfliktsituationen bestenfalls sogar vermeiden. Ganz wichtig dabei: Ältere Menschen wollen und sollten nicht bevormundet werde (solange es geht). Dafür haben Sie einfach zu viel im Leben gesehen und erfahren. Das sollte bei jedem Gespräch immer berücksichtigt werden.

Die folgenden Tipps können zudem helfen, die zwischenmenschliche Kommunikation zu verbessern und mit einem geliebten, aber «schwierigen» Menschen eine gemeinsame Ebene zu finden:

  • Kommunizieren Sie mit «Ich-Botschaften» («Ich habe das Gefühl, dass du …»). Und kritisieren Sie nicht («Du tust dies oder das falsch …») – damit erreichen Sie oftmals eher das Gegenteil.
  • Wenn Emotionen wie Wut und Groll durch Missverständnisse oder verletzte Gefühle hochkommen, legen Sie eine Pause ein. Versuchen Sie das Gespräch in eine andere Richtung zu leiten. Oder gehen sie zuerst kurz an die frische Luft. Mit einem wohlwollenden Herz lässt es sich wieder viel besser miteinander reden.
  • Verzichten Sie auf solche Ausdrücke oder Sätze wie «Das kommt schon gut!». Gerade ältere Menschen können auf gut gemeintes, aber unehrliches Geplänkel verzichten. Sie wollen sich ernst genommen fühlen und wissen genau, «dass es nicht mehr so gut kommt».
  • Wählen Sie möglichst eine gelöste Atmosphäre, um wichtige Punkte anzusprechen. Wenn alle Parteien gestresst sind, wirkt sich das negativ auf eine mögliche Lösung aus.
  • Achten Sie darauf, mit Ihren Angehörigen auf Augenhöhe zu kommunizieren. Auch wenn sich das Verhältnis zueinander (Eltern – Kind – Kind – Eltern) umgedreht hat: Sprechen Sie so mit Ihren geliebten Menschen, wie Sie als mündige Person es auch für sich möchten. Und vergessen Sie nie, dass ältere Menschen sehr viel für Sie getan haben, lange bevor Sie dies erwidern konnten.
  • Vielleicht kann zu einem gewissen Zeitpunkt auch eine externe Person mithelfen, mögliche Konflikte zu lösen.

Denn niemand behauptet, das Miteinander der Generationen sei einfach. Aber mit etwas Feingefühl und gutem Willen können wir es alle einfacher miteinander haben.