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Laut einer kürzlich durchgeführten Studie lag der «Schweizer Job-Stress-Index» im Jahr 2020 bei rund 50,8 von 100. Diese Kennzahl besagt, dass die Arbeitsbelastungen (die sog. Stressoren) und die Stress verhindernden Faktoren (die sog. Ressourcen) am Arbeitsplatz sich in jenem Jahr ungefähr die Waage hielten. (Ideal wäre ein Wert von 0, katastrophal ein Wert von 100.) Wobei dieser Index seit Jahren ansteigt. Mit anderen Worten: Das Arbeitsleben wird immer «stressiger».

Stress ist aber ein Leiden, das in allen Generationen verbreitet ist, nicht nur bei «den Jungen». Auch als private Seniorenbetreuerin erlebe ich das öfters, und deshalb stelle ich mir oftmals die Frage: Wie kann man insbesondere bei Senioren Stress vermindern – welche Tipps für den Alltag können dabei helfen?

Aus medizinischer Sicht lässt sich Stress so beschreiben: Reaktion des Organismus auf physische und psychische Beanspruchung durch Stressoren, also Stress auslösende Faktoren. Kurzzeitiger Stress lässt sich in jedem Alter tolerieren. Andauernder Stress hingegen kann Körper und Seele ernsthaft schaden. Ausgelöst werden kann Stress bei älteren Menschen z.B. durch eine schwere Krankheit, Einsamkeit, ungesunde Ernährung, Trauer oder Bewegungsmangel.

Ursachen für Stress bei Senioren

Ich erlebe bei sehr vielen Seniorinnen und Senioren, dass sie auf die eine oder andere Art von Stress betroffen sind. Und dies, obwohl sie doch im wahrsten Sinne des Wortes im Ruhestand leben. Gerade die Übergangszeit vom Arbeits- ins Pensionsalter empfinden einige aber als belastend. Während der Tagesablauf im Arbeitsleben noch geregelt war, fehlt nun der gewohnte Rhythmus. Was entspannend klingt, ist für viele auf Dauer durchaus anstrengend: Man hat im Rentenalter einfach (zu) viel Zeit zur freien Verfügung. Auch in der Beziehung können neue Konflikte auftreten, da man nun tagtäglich deutlich mehr Zeit miteinander verbringt. Alleinstehende wiederum drohen oft nicht nur zu vereinsamen, sondern stehen regelrecht unter Stress, wenn sie nicht mehr zur Arbeit können. Besonders wenn sie schon bisher kein ausgefülltes Freizeitleben hatten.

Tipps für den Alltag

Ob durch Ängste, Sorgen oder neue Lebensumstände – Stress bei Senioren ist durchaus präsent. Die folgenden Tipps können älteren Menschen bei der Stressverminderung helfen.

Tipp 1: Frühzeitig Symptome erkennen und beseitigen

Es ist wichtig, die Zeichen von Körper und Geist bei Stress zu erkennen. Zum Beispiel kann ständiges Lidzucken ein Indikator sein – oder  andauerndes Zähneknirschen beim Schlafen. Oder, noch schlimmer, chronischer Schlafmangel. Auch andere Symptome wie Kopf-, Nacken- oder Rückenschmerzen, Appetitlosigkeit Antriebslosigkeit oder Unruhe können Stress anzeigen. Viele Senioren weinen auch mehrmals am Tag. Wer solche Anzeichen erkennt (idealerweise die Seniorin oder der Senior selbst oder dann die Betreuungsperson), sollte sofort die Notbremse ziehen und achtsamer leben. Manchmal muss man sogar ärztliche Hilfe in Betracht ziehen.

Tipp 2: Den Tag strukturieren, aber nicht zu viele Termine einplanen

Für viele «Neusenioren» gerät mit der neu gewonnenen Zeit auch der Tagesrhythmus durcheinander. Entweder man weiss mit seiner Zeit nichts anzufangen, oder aber der Terminkalender ist zu prall gefüllt. In beiden Fällen gilt es, den Tag sinnvoll zu strukturieren. Für Senioren ist es sehr wichtig, stets zu den gleichen Zeiten das Essen einzunehmen und auch zu ähnlichen Zeiten aufzustehen und ins Bett zu gehen. Termine oder Veranstaltungen sollten in einem Kalender festgehalten werden. Es ist wichtig, dass man den Überblick behält. Das gilt für Senioren ebenso wie für betreuende Personen oder Angehörige. Auch sollte man pro Tag und Woche höchstens einen bis zwei Arzttermine einplanen. Diese sind nämlich für ältere Menschen ein grosser Stressfaktor. Grundsätzlich ist es wichtig, immer genügend Zeit, Spielraum und Ruhe einzuplanen. Zu viele Termine – das kann nicht funktionieren und stört sehr bei der Stressverminderung.

Tipp 3: Auf gute, gesunde und natürliche Ernährung achten

Stressverminderung wird auch durch gute und gesunde Ernährung unterstützt. Seniorinnen und Senioren sollten darauf achten, dass sie genügend Vitamine und Flüssigkeit zu sich nehmen. Daher können Gemüse und Obst recht einfach helfen, den Stress zu vermindern. Zu wenig Flüssigkeit hingegen fördert die Dehydrierung und damit den Stress. Weitere natürliche, pflanzliche Hilfsmittel gegen Stress sind beruhigende Tees und Baldrian. Bei Schlafstörungen helfen auch homöopathische Mittel.

Tipp 4: Stress von aussen vermindern

Oftmals kommt der Stress von aussen. Das heisst: Ganz alltägliche Dinge können enormen Stress auslösen – der Eingang von Briefen und Rechnungen, das Ausfüllen der Steuererklärung, die Umstellung von Posteinzahlungen zu E-Banking, ein kaputtes Telefon, die Combox, welche nicht mehr funktioniert, defekte Haushaltgeräte, ganz generell die zunehmende Digitalisierung (Smartphone, Computer), der defekte Fernseher oder die plötzliche Änderung der TV-Kanäle, und, und, und … Mein Tipp dazu: Ich persönlich höre zuerst einmal der betreffenden Person gut zu und teile ihr dann ganz ruhig mit, dass ihr Problem gelöst werden wird. Hier ist sehr viel Geduld gefragt, und die haben ganz viele ältere Menschen einfach nicht mehr. Es braucht auch viel Einfühlungsvermögen, ihnen zu vermitteln, dass nicht jedes Problem noch am gleichen Tag behoben werden kann. Wichtig: Eine Person muss «den Lead haben», d.h. das Problem in die Hand nehmen und die (einzige) Ansprechperson für die Senioren sein. Zu viele Meinungen machen nämlich in der Regel die Probleme nur noch grösser.

Tipp 5: Auf den eigenen Körper und die innere Stimme hören

Viele Seniorinnen und Senioren möchten es sich und allen anderen recht machen. Das führt sie unwiderruflich in den Stress. Ältere Menschen sollten, dürfen und müssen aber mehr auf den eigenen Körper und die innere Stimme hören. Der Druck von aussen mag ja gross und die Ratschläge von Dritten sehr gut gemeint sein. Aber im Alter ist das Nervensystem nicht mehr so stark. Fast jeder Termin kann so zur Belastung werden. Darum auch ist es unglaublich wichtig, dass Angehörige und betreuende Personen auch ein «Nein» von einem älteren Menschen akzeptieren. Auch kurzfristige Absagen, z.B. zu einem Mittagessen, sollten sie ruhig entgegennehmen, auch wenn der eigene Tagesablauf dadurch unterbrochen oder gestört wird. Nebst dem strukturierten Tag muss man Seniorinnen und Senioren viel Platz für Ruhe und Spontanität einräumen, damit sie den Lebensabend geniessen können. Und dies mit so wenig Stress wie möglich.