Ältere Person mit Tabletten in der Hand

Vorweg dies: In meiner langjährigen Praxis als private Seniorenbetreuerin hatte ich noch keinen einzigen Kunden mit Suchtproblemen. Aber dieses Problem existiert leider sehr wohl, und auch ich werde mich vielleicht einmal beruflich damit auseinandersetzen müssen. Also habe ich mir diese Frage gestellt: Sucht im Alter – wie erkennt man sie frühzeitig? Medizinisch gesehen ist Sucht eine Krankheit: Die Fachwelt spricht in der Regel von Missbrauch oder Abhängigkeit, und die Weltgesundheitsorganisation WHO beschreibt Sucht als «psychische oder Verhaltensstörung durch psychotrope Substanzen» (Quelle: BAG). Bei älteren Menschen kommen einige einschneidende Faktoren infrage, welche eine Sucht auslösen können. So fühlen sich viele nach der Pensionierung nicht mehr gebraucht. Dies kann zu Depressionen oder in eine Alkoholsucht führen. Oder es kommt zu einem Umzug in eine pflegerische Institution, zum Beispiel in ein Altersheim. Wenn Freunde oder Verwandte im gleichen Alter krank werden oder sterben, kann das ebenfalls einen grossen Einschnitt bedeuten und das Suchtpotential fördern. Und natürlich führt es einem die eigene Sterblichkeit vor Augen.

Was sind erste Anzeichen?

Nicht nur harte Drogen wie Heroin oder Kokain können abhängig machen. Auch Kaffee, Zigaretten, Alkohol oder Medikamente tragen das Potential zur Sucht in sich. Zu den Warnhinweisen für Suchtverhalten – gerade auch bei Seniorinnen und Senioren – gehören zum Beispiel gestörter Schlaf, häufige Gereiztheit und Übelkeit, aber ebenso auch unerklärliche Verletzungen oder schlechte Hygiene. Auch geistige Defizite müssen nicht immer allein altersbedingt sein, sondern sind auch beim (Sucht-)Missbrauch von Alkohol und Beruhigungsmitteln nicht selten (Quelle: Medical Tribune). Nachfolgend eine (nicht abschliessende) Liste mit Anzeichen dafür, dass jemand von einer Sucht betroffen sein kann.

  • Äusserlich: unerklärliche Verletzungen/Stürze/Blutergüsse, Unterernährung, Anzeichen für Selbstvernachlässigung / mangelnde Hygiene
  • Organisch: Übelkeit, Erbrechen oder Koordinationsprobleme
  • Psychisch: Schlafstörungen, häufige Stimmungswechsel, Reizbarkeit, Angst und Depression
  • Geistig: Verwirrung und Orientierungsverlust, Gedächtnisschwund, Schlaflosigkeit, verlangsamte Reaktion
  • Sozial/Verhalten: Zurückgezogenheit, familiäre Streitigkeiten, Verlangen nach immer neuen Rezepten oder Medikamenten

Suchtproblem erkennen und Hilfe suchen

Ist ein Suchtproblem erst einmal erkannt, gilt es zu reagieren, aber keinesfalls Vorwürfe gegen den oder die Betroffene(n) zu richten. Kein älterer Mensch wird ohne eine Ursache abhängig von Alkohol, Nikotin oder Medikamenten. Oftmals hat die Sucht eine Vorgeschichte, und diese ist nicht einmal der engsten Familie bekannt. Viele Betroffene haben aus Scham vor einer Verurteilung Angst, darüber zu sprechen. Daher ist es für Angehörige oder betreuende Personen notwendig, das Verhalten des Seniors oder der Seniorin zu beobachten. Es braucht dafür viel Einfühlungsvermögen, und bei der Beobachtung der betroffenen Person ist Zurückhaltung angesagt (keine Spionage). Auch sollte bei alldem eine Grundregel nicht vergessen werden: Die Nähe zu den Angehörigen erhöht die Lebensqualität. Gehen Sie auf ältere Menschen zu und beziehen Sie sie mit ein. Das ist für viele schon ein Grund, den Weg aus der Sucht anzutreten und sich behandeln zu lassen.

Mehr Informationen und Hilfestellungen zum Thema finden Sie an den folgenden Adressen:
Sucht Schweiz
Alter und Sucht
Schweizerische Koordinations- und Fachstelle Sucht